Matt (Gast) - 10. Apr, 23:59

Nur mal ein paar Fakten

"in dem die kleine Mönchselite (etwa ein Prozent der Bevölkerung) das restliche Land gnadenlos ausbeutete. Im ach so friedlichen Tibet der Herrschaft des Dalai Lama war ein Großteil der Bevölkerung als Leibeigene oder unfreie Bauern versklavt, es existierten außerhalb der Klöster keinerlei Bildungseinrichtungen, Gesundheits- oder Hygieneeinrichtungen. Ebenso gehörten bis weit in das 20. Jahrhundert hinein öffentliches Auspeitschen und das Abschneiden von Gliedmaßen zum gängigen Strafenkatalog des „friedlichen“ tibetischen Strafrechts."

Es wäre besser gewesen, der Autor hätte sich auf verlässliche akademische Literatur und nicht auf Hörensagen oder selbsternannte "Aufklärer" wie Goldner gestützt. Den ganzen Unfug im Artikel einzeln zu widerlegen oder zu differenzieren kostet mir zu viel Zeit. Deshalb nehme ich einfach die Einleitung der Kritik. Indem ich diese als einseitig und undifferenziert nachweise, ist zur Genüge indiziert, dass das was folgt, mit großer Wahrscheinlichkeit genauso einseitiger Gedankenbrei ist.

In Tibet gab es eine große Anzahl an Mönchen (und es gab auch Nonnen, aber das nur am Rande), es waren immerhin 20% (!) der Bevölkerung und nicht 1%. Unter ihnen waren sehr arme Mönche, die sich aber durch Fleiß hocharbeiten konnten - zumindest in eine gesellschaftliche angesehene Stellung, entscheidend war dabei seine eigene geistige Leistung und nicht seine Abstammung.

Die Dalai Lamas selbst waren häufiger Bauernkinder - auch der jetzige Dalai Lama stammt aus einer Bauernfamilie. Der Adel war meist nicht monastisch und es gab zahllose Warlords, die lokal das Sagen hatten. Die Gesellschaft war in Stämmen organisiert. Die Regierung in Lhasa hatte nur begrenzt Einfluss. Auch Adlige (nicht-Mönche) und lokale Warlords beuteten die Bevölkerung aus. Die Warlards waren manchmal auch Mulsime und sie waren meist keine Mönche. Der jetzige Dalai Lama musste von einem solchen muslimischen Warlord in Osttibet für ca. $1.Mio frei gekauft werden. Die gesamte tibetische Gesellschaft war weit vielfältiger und komplexer als der Autor hier behauptet. Ebenso war die Machtverteilung weit komplexer. Die Dalai Lamas hatten kaum Macht in Tbet: bitte mal sachliche akademische Literatur lesen: http://www.buddhismuskunde.uni-hamburg.de/fileadmin/pdf/digitale_texte/Bd7-K10Sobisch.pdf

Es ist richtig, dass Klöster Bauern zu Abgaben verplfichteten und sie abhängig machten und ausbeuteten. Aber sie waren nicht die einzigen, wie gesagt, auch der Adel tat dies. Der 13. Dalai Lama hat jedoch die übliche Vererbung der Schulden von Bauern gegenüber den Klöstern abgeschafft und Reformen initiiert, die die Rechte der Armen stärkten und die Gesamtlage verbessern sollte, diese wurden allerdings von den Klöstern blockiert.

Es ist richtig, dass es vereinzelt (!) (und nicht "gängig") zu drakonischen Strafen kam, wie dem brutalen Abschneiden von Gliedmaßen und andere Foltermaßnahmen. Allerdings waren diese Brutalitäten bei weitem nicht so gängig, wie was in Europa passierte mit Hexenverbrennungen und Folter und der 13. Dalai Lama hat diese Praktiken per Erlass untersagt - allerdings haben sich eben lokale Fürsten und andere immer wieder darüber hinweggesetzt.

Auch wenn die Tibeter nicht so friedlich waren, wie das gerne dargestellt wird, sie waren auch nicht so gewalttätig wie von einigen behauptet. So hat diese Nation, die immerhin mal eine erfolgreiche Kriegernation war, seit Bekehrung zum Buddhismus keine Angriffs-Kriege gegen andere Länder geführt und hatte am Ende nicht mal mehr eine schlagkräftige Armee, um sich gegen die chinesische Invasion zu verteidigen. Viele vertrauten zu sehr auf die "Kraft der Gebete". Es war im Übrigen der 13. Dalai Lama der auch eine schlagkräftige Armee aufbauen wollte, aber diese wurde wie alle seine anderen Reformen (auch zur Bildung) von den Klöstern und Adel torpediert.

Ich denke das reicht als Differenzierung gegen das hier eingeschlagene einseitige und verzerrende Bild zu Tibet. Was die einen postiv übetreiben und verklären wird hier eben negativ übertrieben und verklärt. Es ist das selbe Spiel nur unter anderen Vorzeichen. Beide Ansaätze helfen allerdings nicht wirklich weiter.

Also "Zurück auf Los!" würde ich mal sagen ;-)

Matt (Gast) - 11. Apr, 00:38

noch ein Nachtrag

Die Klöster in Tibet sollten zudem differenziert gesehen werden. Wie gesagt, die meisten akademischen Quellen sprechen von 20% der Bevölkerung waren Mönche (und Nonnen) und nicht 1% wie hier falsch behauptet.

Klöster selbst waren Bildungsstätten, Bibliothek, Schule, Universität, geistiger Mittelpunkt, Pilgerstätten etc. dort wurde auch Lesen und Schreiben gelehrt, die waren Machtzentren und Machtzentren in allen Staaten fordern Abgaben vom Rest der Bevölkerung - das ist ja auch in Deutschland noch so, nur dass das keiner kritisiert ;-) Was ungewöhnlich ist, ist das Klöster solche Machtzentren bildeten (darüber kann man in der Tat streiten). Zudem wurde in Tibet auch Medizin gelehrt (die der chinesischen Medizin ähnlich ist) und Mediziner behandelten die Menschen, aber auch Kalligrafie, Malerei, Handwerk (wie Tischler, Kunsthandwerk etc) Tanz etc. - sicher alles eher völlig religiös ausgerichtet. Aber es war bei weitem nicht so einseitig wie oben dargestellt, eine Darstellung die die reiche und zutiefst religiöse Kultur der Tibeter als armselig darzustellen wünscht.

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